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Letter From the Dog, mail art (1999)
Edition: 300
Language: German/Japanese

Inhalt

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich entschuldige mich, Ihnen zu schreiben, ohne mit Ihnen bekannt zu sein. Es ist aber ein ernsthafter Wunsch meines wahren Freundes, eines Hundes, für ihn an Sie, so wie jetzt, zu schreiben.
Der Hund besitzt keine Hände, um schreiben zu können, sogar einen Körper hat er nicht. Er ist so ein Lebewesen, das nur als Motiv eines Kunstwerkes existieren kann. Die einzige Information über ihn ist das über ihn Geschriebene. Ich vermute, dass es für Sie keine Rolle spielt, ob er, der Ihnen unbekannte, wirklich existiert oder nicht, soweit seine Existenz keinen Einfluss auf Ihr Leben hat. Sie könnten denken, es sei kein grosses Problem, ob 400 Millionen Hunde auf der Erde leben oder vierhundert Millionen und einer.
Unser Körper besteht aus Organen, die aus Zellensystemen bestehen, die wiederum aus Zellen bestehen. Beim Hund besteht der Text über den Hund aus bestimmten Sätzen, Wörtern, Buchstaben. Erst wenn der Text über den Hund geschrieben ist, erscheint die Hundeexistenz in der Welt. Während Sie diesen Hundetext lesen, erhält er ein Leben und fängt an seine Existenz zu behaupten, bis Sie zum letzten Satz dieses Briefes kommen. Er hat einen übergrossen Ergeiz zum Dasein; wegen seines Willens konnte ich nicht anders, als über ihn zu schreiben.
Für ihn sollte es auf keinen Fall ein Nachteil sein, körperlos zu sein. Ohne von den Kleinigkeiten des Alltags beschränkt zu sein, ist es ihm möglich, frei in jedem Raum allein durch seinen Geist aufzutauchen.
Er wollte niemals ein Bildstück oder ein Skulptur werden. Jene schwere Materialität der Leinwand und der Farbe et cetera konnte er überhaupt nicht leiden. Pelz, Fleisch oder Knochen zu tragen, darauf hatte er auch keine Lust.
So geniesst er sein freies Leben. Einmal fand eine Ausstellung über ihn statt, mit dem Titel »der in die Wand gefügte Hund«, wo keiner ihn gesehen hat, da er in eine Wand des Ausstellungsraumes gefügt war. Alles was er tun konnte, um auf sich aufmerksam zu machen, war es zu bellen, wenn ein Ausstellungsbesucher auf die Wand zulief.
Zu einer anderen Gelegenheit wurde die Situation dieser Ausstellung als eine neue Ausstellung namens »der Bericht von G über die Ausstellung mit dem in die Wand gefügten Hund« gezeigt. Dabei lag ein Katalog zum Besichtigen aus. Auch ich war dort und habe mir den Katalog angeschaut, den ich ausgezeichnet fand - für ein Hundeprodukt. Es war der Bericht eines Besuchers »G« über die Ausstellung »der in die Wand gefügte Hund«. Hier werde ich Ihnen vorstellen, was ich darin las.

***


G bekam die einladungskarte für die ausstellung, die hier statt-fand und besuchte sie. dabei wurde auf dem video aufgenommen, was G in der ausstellung sah. hier zeigen wir die dokumentationsphotos, die dabei entstanden sind.

G trat in den raum ein. mit der einladungskarte in der hand.

(da es keine ausstellung zu sehen gab, war G etwas enttäuscht.) irritiert dreht sich G zur eingangstür, schaut rechts und links in den raum, wirft den blick auf den boden. doch sieht G nirgendwo ein kunstwerk.

mag sein, dass was ganz winziges irgendwo ausgestellt ist, denkt G. nun beobachtet G den raum genauer. zuerst nähert G sich der rechten wand und prüft, ob es da etwas gibt. ...kein erfolg.

wie ist es denn mit der benachbarten wand bzw. vorderen wand? G fängt an weiter zu laufen. und dann....

WAU WAU WAU WAU..

aus der wand bellt der hund schrill. erschreckt friert G ein, tritt dann ein paar schritte zurück.

der hund wird still.

als G aber noch mal in diese richtung geht, bellt der hund wieder. G geht weiter bis zur wand hin, schaut sich die wand an, ob es da etwas gibt. G findet jedoch nichts.

entlang der wand geht G nach rechts, dann in die richtung des eingangs.

es wird still.

G beobachtet vorsichtig, ob etwas auf dem boden zu sehen ist, es gibt immer noch nichts.

sollte eine beobachtungskamera an der decke hängen?
G überblickt alle vier ecken der decke.

auf den boden blickend macht G langsame schritte an die wand.

WAU WAU WAU WAU..

in dem moment, wo G den hund hört, geht G einige schritte zurück.

es wird still.

G tritt nur mit einem fuss nach vorn.

WAU WAU WAU WAU...

G bewegt den fuss weiter nach rechts. der hund bellt weiter.

WAU WAU WAU WAU...

G geht zum eingang.

es wird still.

G geht parallel zur vorderen wand nach rechts, dann nach vorne.

WAU WAU WAU WAU...

G geht wieder zum eingang. es wird still.

(jetzt ist die rolle von G bereits erledigt. nun muss G nur noch abtreten)


als G losgehen wollte, bemerkte G einige kataloge über die ausstellung auf dem tisch im vorderraum. G nahm einen in die hand und blätterte darin.

soweit G im katalog liest, soviel bekommt G mit, was darin steht. jetzt achtet G nicht mehr darauf, was in dem raum passiert, und deshalb müssen wir uns aus G’s geschichte ausblenden...


***

Der Katalog, den ich gerade in meinen Händen hielt, war genau der, in dem auch G gelesen hatte. Am Ausstellungsort war ein Monitor installiert, worauf man das Dokumentarvideo über die Situation der Ausstellung mit G sah - von dem Moment, als G in den Raum eintritt bis dahin, wo G den Raum wieder verlässt. Mit der Zeit merkte ich, dass ich die Ausstellung durch das Auge von G erlebte. Die ganze Reihe der Aktionen von G wurde im Loop wiederholt; zuerst war nur ein leerer Raum zu sehen, dann trat ein Mensch ein, suchte nach jenem Hund, und verliess er dann den Raum wieder. Nachdem ich diese Wiederholung eine Weile gesehen hatte, wurde mir klar, dass der Hund beziehungsweise die Ausstellung uns unzählige Male wiederholt begegnen könnten, obwohl es nur ein minutenlanges Ereignis war.
Als ich den Kurzfilm etwa drei, vier Male gesehen hatte, wurde ich unerwartet angesprochen.
»Das Video ist in diesem Raum aufgenommen, wo wir uns jetzt befinden. G, der Mensch, der nach dem Hund sucht, ist eine fiktive Figur. Er ist nur dazu da, um die Existenz des Hundes in der Welt bekannt zu machen. Ohne Hund gäbe es den Menschen auch nicht. Diese Ausstellung beziehungsweise das Dokument der Ausstellung sind auch fiktiv. Nach dem Drehbuch wurde der Dokumentarfilm gedreht, um die Ausstellung zu dokumentieren, um sie auch für Dritte erfahrbar zu machen, für diejenigen, die die Ausstellung nicht besuchten. Ich bin die Künstlerin dieser Hundearbeit. Ich schrieb den Text, spielte selber die Rolle von G und filmte es. Weil ich Künstlerin bin, wünsche ich mir, dass meine Arbeit von möglichst vielen Leuten gesehen wird, da meine Existenz als Künstlerin nur dadurch in der Welt wahrgenommen werden kann. Den Hund könnte es nicht geben, ohne von G gesucht zu werden. Dieses Dokument enthielte auch diese Figur nicht, wenn sie den Hund nicht gesucht hätte. Das ist unabhängig davon, ob es ihn in der Wirklichkeit gäbe oder nicht. Ebenfalls existiere ich für Sie auch nicht, wenn Sie heute zur Ausstellung nicht gekommen wären (anderseits gäbe es Sie für mich auch nicht). Diese, nur temporär veranstaltete Ausstellung könnte jeder Zeit in Ihrer Erinnerung abgerufen werden, wenn Sie später die Einladungskarte oder den Katalog wieder sehen und sich daran erinnen. Ich bedanke mich für Ihr heutiges Kommen.«

Seit diesem Tag habe ich diese Künstlerin weder gesehen noch etwas von ihr gehört. Ihre Absicht - ihre Existenz bekannt zu machen - scheint ihr nicht gelungen zu sein, zumindest für den grössten Anteil der Menschheit, für diejenigen, die die Ausstellung nicht besucht haben.
Für mich existieren jedoch die Künstlerin und die Ausstellung. Zwar sah ich nicht den Hund mit meinen eigenen Augen, kann aber trotzdem sagen, dass ich an diesem Tag den Hund kennenlernte. Ohne jegliche Erscheinung hat der Geist des Hundes den in meinem Unbewussten schlafenden Willen berührt. Nachdem nicht viele Tage vergingen, seit ich ihn kennenlernte, gewann der Hund in mir immer mehr an Höhe, Tiefe und Breite, jedes Mal, wenn ich an ihn dachte und denke. Nun ist er mein aller wichtigster Freund. Er ist sogar fast mein zweites Ich.
Von der Galerie, in der die Ausstellung stattfand, erhielt ich danach noch ein paar Mal Einladungskarten, dann hörte sie auf, von sich hören zu lassen. Man sagte, sie stellte den Betrieb ein. Es können nur noch die Einladungskarte und der Katalog die Existenz der Ausstellung beweisen. Doch lebt der Hund seit dem Tag mit mir zusammen. Anders als ein Künstler kann ich weder eine Ausstellung organisieren noch ein Kunstwerk schaffen, aber ich möchte auf die Hundeexistenz aufmerksam machen, soweit ich es kann. Deswegen bin ich darauf gekommen, jetzt an Sie diesen Brief zu schreiben. So wie ich damals, haben Sie vermutlich noch nie zuvor von dem Hund gehört. Jeder Buchstabe den ich schreibe, jeder Buchstabe den Sie lesen, ist jedoch ein Bestandteil des Geistes des Hundes. Durch meinen Brief erfahren Sie vom Hundeleben.
Nun, da der Brief beinahe beendet ist, stirbt der Hund jedoch noch nicht. Er wird in Ihnen weiter leben. Der Brief wurde an 300 Menschen gerichtet. Wenn er von den 300 Menschen gelesen würde, bekäme der Hund 300 neue Bekannte. Egal, wie Sie es mit ihm halten, bin ich damit zufrieden, dass ich Ihnen den Hund vorstellen durfte und dass ich damit meine Aufgabe erfüllt habe. Falls es Interesse gibt, einen Exemplar des Ausstellungskatalogs zu erwerben, schreibe ich hier die Kontaktadresse;

Yoko Hata / GUP-py

Invalidenstr. 104
D -10115 Berlin, GERMANY
Tel/Fax: +49 (0)30 / 28 38 79 67
E-MAIL: gup282@hotmail.com


Hiermit beende ich diesen Brief und bedanke mich sehr, anstelle des Hundes, dass Sie ihn gelesen haben.

Berlin 1996


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